Die Story ist (…) eine Reise in die USA der späten 1960er-Jahren als es noch ein Sehnsuchtsland war: Autos, die sich anfühlten wie Wohnzimmer, endloser Asphalt,schnörkellose Diner an der Ecke, freakige Plattenläden mit kauzigem Personal, das fraglose Nebeneinander von braven Bürgern und schrägen Vögeln.*
PARKER – nur Parker – ist ein fiktiver Charakter des amerikanischen Schriftstellers Donald E. Westlake, den er unter einem seiner Pseudonyme (Richard Stark) in 24 Romanen zum Leben erweckt hat.
Als professioneller Dieb und Räuber hat sich Parker auf groß angelegte und lukrative Verbrechen spezialisiert. Er ist professionell, hoch effizient und besitzt nur eine wirklich „lobenswerte“ Eigenschaft: Sein Credo lautet, keinen anderen Gauner zu hintergehen mit dem er zusammenarbeitet. Außer dieser versucht es bei ihm. In diesem Fall muss sich der Schwachkopf darauf einstellen, dass Parker ihn zur Rechenschaft zieht und zwar gefühllos, gewissenhaft und durchaus bereit, einen Mord zu begehen. Und genau darum geht es in dieser Geschichte.
EINE FALLE FÜR PARKER erzählt von einem gut geplanten und ebenso ausgeführten Bankraub in Cedar Falls (Iowa), den Parker und drei seiner Komplizen begehen. Der Bruch funktioniert reibungslos und das Quartett kann sich absetzen.
Auf einer nahe gelegenen Farm, die als Versteck herhalten muss, stellt sich jedoch heraus, dass a) die Beute nicht so groß ausfällt, wie erhofft und b) einer der Gang-Mitglieder eine Ratte ist. Nur Parker gelingt es, dem Mordanschlag des Neuzugangs, George Uhl, lebend zu entkommen. Dieser flüchtet mit der Beute, nachdem er die Farm in Brand gesetzt hat und Parker zurücklässt, der wiederum aufgrund der anrückenden Polizei und Feuerwehr erst einmal festgenagelt bleibt.
Aber so einfach wird Parker den Mistkerl nicht davon kommen lassen. Er geht in bester Crime-Noir-Manier jeder Spur nach, die ihn seiner Rache – und dem Geld! – näher bringt. Und für diejenigen, die Parker jagt, gibt es keine Gnade.
Doug Headline (Szenario) orientiert sich mit dem vorgelegten Comic an Richard Stark’s Geschichte „The Sour Lemon Score“ aus dem Jahre 1969 – und für Parker hat diese Episode tatsächlich eine saure Note. Schließlich wird sein professionelles Arbeitsethos von einem Möchtegern-Gauner angekratzt und ihm sein wohlverdienter Lohn vorenthalten.
Die Figur des Parker passt in die Welt eines Sam Spade oder eines Phillip Marlowe. Er ist intelligent, berechnend, aber auch flexibel – sowohl bei seinen Raubzügen als auch moralisch. Im Gegensatz zu den Noir-Detektiven ist er bei der Verfolgung seiner Ziele skrupellos bis hin zur Soziopathie. Ihn interessiert kein menschliches Miteinander, keine soziale Norm und er scheint unfähig zu sein, Schuld für seine Taten zu empfinden. Und damit ist er – auf seine Weise – völlig frei. Ein Anti-Held, dem wir trotz seiner Taten eine gewisse Bewunderung entgegen bringen können.
Auch Headline’s weitere Charaktere haben ihre Ecken und Kanten, aber auch ihre … nun ja … normalen Seiten. Die Bankräuber gehen ihrer Arbeit nach, wie andere ins Büro oder in die Werkshalle gehen. Sie sind so normal, dass sie sich in den bevölkerten Straßen der Städte unauffällig bewegen könnten. So normal, dass wir sie nicht als bedrohlich wahrnehmen, sondern nach dem Bruch mit ihnen grundsätzlich auch ein Bier trinken würden. Umso härter trifft uns der Verrat.
Nach diesen ersten zwanzig Seiten dreht sich der Großteil des Albums nun um Parker’s Suche nach dem Verräter und dem Geld. Nach den dramatischen Anfängen folgen 72 Seiten in denen wir miterleben, wie Parker detektivisch ersten Spuren nachgeht, diese kalt werden und er sich neue Ansätze suchen muss.
Für Einblicke in die Arbeitsweise von Berufsgangster mit ihren Alltagsproblemen – Woher bekomme ich meine Waffen? Wie übernachte ich unter falschem Namen in einem fremden Hotel? Wie komme ich möglichst unbehelligt von A nach B? – mag dieser Teil anschaulich aufbereitet sein. Aber dient es der Geschichte? So stellt sich die Frage, wozu z.B. PARKER zwei gleich-aussehende Waffen kauft, wenn er sie später nicht für etwas Besonderes einsetzt?
Zu Beginn des dritten – in der auf vier Akte angelegten Geschichte – erzählt uns Doug Headline zudem überflüssigerweise die bereits bekannten Geschehnisse noch einmal aus Sicht von George Uhl, nur um uns erneut klarzumachen, dass er ein illoyales Subjekt ist. Etwas, das wir schon wussten und das ihm auch aus dieser Perspektive keine Sympathien einbringt. Also, wofür ist dieser Schwenk gut?
Auch hier ist der Strory-Arc eindeutig zu lang und die Geschichte mit einigen Wendungen zu viel gesegnet. Es stimmt, die Geschichte liest sich flüssig. Das wiederum lag für mich aber an etwas anderem – Kieran’s ansprechenden Zeichnungen und dem angenehmen Lettering der Sprechblasen.
Sebastian „Kieran“ Roche (Against The Night, We are The Night) trifft mit ihnen hervorragend die Stimmung des Plots. Seine Linienführung ist charakteristisch, klar und ohne Schnick-Schnack. Die Seiten sehen aus wie mit klassischer Tusche gezeichnet. Er verwendet illustratorisch einen Retro-Zeichenstil, der an die ebenfalls bei Schreiber & Leser erschienen Sammelbände des Kanadiers Darwyn Cooke zu Parker erinnert.
Bei der Kolorierung arbeitet er mit nur drei Farben. Crime Noir und Schwarz-Weiss passen hervorragend zusammen, während der Gebrauch des Blaugrau als „Schmuckfarbe“ seinen Zeichnungen eine ansprechende, zusätzliche Tiefe verleiht (wobei das Blaugrau zeitsparend flächig eingesetzt wird, ohne das Kieran mit abgestuften Tönen arbeitet). Nur dort, wo er hellere Töne benötigt, nutzt er Papillarleisten von Fingerabdrücken und drückt seiner Arbeit somit in gewisser Weise einen Stempel auf. Genau wie die Gangster, die bei ihrem Raub auch weder Masken noch Handschuhe trugen.
Die Panel-Gestaltung ist überwiegend klassisch, ohne echte Panelränder, nur bestehend aus weißen Guttern. Das passt gut in die damalige Zeit. Umso beeindruckender sind die wenigen voll-formatigen Seiten, mit denen Kieran den Blick weitet oder manche Action eindrucksvoll präsentiert.
Insgesamt ist EINE FALLE FÜR PARKER ein solider Krimi mit einer ansprechenden Grafik. Trotz einiger Längen weiß der Comic zu gefallen. Wer in diesem Zusammenhang Lust auf eine unangepasste, durchsetzungsstarke und intelligente Hauptfigur hat, ist bei diesem humorlosen Album genau richtig.
Für mich persönlich ist Sebastien „Kieran“ Roche die Neu-Entdeckung des Monats und ich freue mich, mehr von ihm zu sehen.
EINE FALLE FÜR PARKER
© Schreiber & Leser| Hardcover | 112 Seiten | Schwarz-Weiss mit Schmuckfarbe
Storyline: ★★★☆☆
Zeichnungen: ★★★★☆
Lettering: ★★★☆☆
Humor: ☆☆☆☆☆
Meine persönliche Bewertung: ★★★☆☆
ISBN: 978-3-96582-197-2
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Fussnoten: * Verlagsbeschreibung