Vor Kurzen war ich wieder im Kino und habe mir die bereits gehypte Comic-Verfilmung angesehen: THE FANTASTIC FOUR: FIRST STEPS. Und was soll ich sagen? Sie hat mich großartig unterhalten. MARVEL kann es doch noch! Der Film entführt uns in eine Welt, die so gesehen schon lange in den Comics existiert, aber selten mit so viel Charme und frischer Retro-Kraft aufgewartet hat.
Wir befinden uns in einer 60er-Jahre inspirierten, retro-futuristischen Parallelwelt, einer Erde-828, die mit ihrer Ästhetik direkt aus der Space-Age-Optimismus-Ecke kommt und doch nie in bloßer Nostalgie versinkt. Vom ersten Bild an spielt der Regisseur Matt Shakman, den wir bereits von WandaVision kennen, mit unseren Erwartungen und unserem Wissen. Hier erwacht ein Klassiker zu neuem Leben, ohne sich der Popkultur von gestern zu opfern.
Die Handlung steigt rasant ein, wie schon bei SUPERMAN keine ermüdende Origin-Story, kein erneutes Auswalzen der Anfänge. Innerhalb der ersten wenigen Minuten im Retro-Look macht der Film klar: Diese vier Heldinnen und Helden sind bereits Superstars, Medienlieblinge, Popikonen!
Reed Richards a.k.a. Mr. Fantastic (Pedro Pascal), Sue Storm, die Unsichtbare (Vanessa Kirby), Johnny Storm, die menschliche Fackel (Joseph Quinn) und Ben Grimm, das Ding (Ebon Moss-Bachrach), haben schon diverse Widersacher besiegt und sind eine Art leuchtendes Vorbild für die Welt. Gleichzeitig ist da auch diese angenehm skurrile Alltagsnähe. Man will fast mit ihnen durch das stylische New York der Sechzigerjahre schlendern oder sich auf einen Plausch im Schwebewagen einladen lassen.
Kosmischer Auftakt mit Flugtaxi und Familienzuwachs
Doch das friedliche Superheldenleben beginnt zu bröckeln, als eine mysteriöse silberne Gestalt (der SILVER SURFER in der weiblichen Gestalt von Julia Garner) über den Himmel New Yorks gleitet. Sie bringt eine Botschaft, die selbst gestandenen Helden das Blut gefrieren lässt. Der Weltenverschlinger GALACTUS ist unterwegs zur Erde.
Plötzlich geraten nicht nur Machtverhältnisse ins Wanken, sondern die Frage stellt sich: Sind diese Helden bereit, für das große Ganze zu kämpfen und notfalls alles zu opfern? Während sie von Talkshows und der Weltöffentlichkeit gefeiert werden, stellt der drohende Weltuntergang auch ihr Privatleben und ihre Beziehungen auf die Probe.
Reed und Sue erwarten – endlich – gemeinsam Nachwuchs, das Team muss zwischen Familienglück und Weltenrettung abwägen und droht, genau daran zu zerbrechen.
Die Gefährdung durch GALACTUS wird mit passenden Effekten inszeniert, bleibt aber trotz visueller und akustischer Explosionen immer im Schatten der eigentlichen Hauptthemen von Loyalität, Angst, Hoffnung, Witz und Zusammenhalt. Entscheidungsmomente drohen den Alltag zu zerbrechen, während ulkige Robot-Diener, fliegende Fahrzeuge und Alien-Krisen das Versprechen einer aufregenden Zukunft vermitteln.
Der Film wechselt dabei geschickt zwischen Farce und Tragödie, Slapstick und moralischer Nachdenklichkeit, wie sie in den besten Heften der FANTASTIC FOUR immer wieder zu finden war.
Zwischen Classic Comic Strip und Familienkrise
Die Story-Arc von THE FANTASTIC FOUR: FIRST STEPS bricht mit bekannten Superheldenkonventionen, auch wenn sie das Genre am Ende erkennbar nicht verlassen will. Im Kern bleibt das Abenteuer übersichtlich: Kosmische Bedrohung taucht auf, Familie muss zusammenstehen, moralische und emotionale Dilemmata werden durchgespielt. Doch das Wie überrascht.
Statt großer Multiversumsszenarien setzt Shakman auf eine klare Linie, auf eine Geschichte mit überschaubarem Ensemble. Das Drehbuch gönnt sich Momente für Charakterszenen und Alltagsflair, in denen Reed Richards schon mal nervös die Aloe-Vera für Sues Schwangerschaftsbauch sucht. Es verbleibt ein natürlicher Flow zwischen Science-Fiction-Spektakel und Beziehungsalltag, was der Franchise nach den letzten, oft überladenen Marvel-Mammutprojekten wirklich gut tut.
Drahtseilakt zwischen Familienbande und Weltende
Die Humor-Dramaturgie ist außerdem auf den Punkt. Während die Welt auf der Kippe steht, ergänzen sich vor allem Johnny und Ben zwischen trockenem Wortwitz und sympathischen Kabbeleien. Gleichzeitig schafft es der Film, die Spannung (fast) permanent aufrechtzuerhalten, ohne sich in Effektgewitter zu verlieren. Lediglich an manchen Stellen droht das Ganze in zu bekannte Muster abzurutschen. Wenn der Plot ins Cartooneske abgleitet und Bedrohungsszenarien auf absurde Retro-Gadgets treffen, ist das zwar schön bunt, wirkt aber manchmal zu gewollt vereinfacht.
Eine (kleine) Schwäche des Films liegt dabei auf seiner ausschließlichen Konzentration auf die Helden. Trotz intergalaktischer Bedrohung, die die Auslöschung des gesamten Planeten zur Folge haben soll, scheint es kein Militär zu geben, dass den FANTASTIC FOUR bei der Bekämpfung von GALACTUS zur Hand gehen kann oder gehen will. Ein Raketenstart aus der Mitte New York’s heraus ist möglich, eine Panzerhaubitze am selben Ort offensichtlich nicht. Geschenkt, Superheldenfilm.
Anders als in früheren Adaptionen erhalten Randfiguren wie SILVER SURFER mehr Tiefe, auch wenn ihr Potential nicht ausgeschöpft wird. Die Story balanciert auf einem schmalen Grat zwischen Erwachsenenmärchen und Frühstückskino, mal gelingt das, mal wirken die Töne leicht verstimmt. Die eigentliche Überraschung bleibt der Mut zu offenen Fragen und uneindeutigen Antworten beim moralischen Dilemma, auch wenn Reed Richards’ Kontrollbedürfnis symbolisch immer wieder jede Ecke polstert und so größeren Tabubrüchen vorbeugt.
Figurenporträts mit Ecken und Kanten
Eine der großen Stärken von THE FANTASTIC FOUR: FIRST STEPS ist das Ensemble. Selten wirkte das legendäre Quartett so greifbar und unterschiedlich, ohne in Klischees zu erstarren.
Pedro Pascal gibt dem brillanten, aber sozial verunsicherten Reed Richards bemerkenswerte Tiefe. Seine Sorge um die Familie und sein Perfektionismus stehen nie im Widerspruch, sondern treiben ihn glaubhaft an. Er ist ein Getriebener, der alle, wirklich alle Eventualitäten durchdenken und bewerten muss. Aber im Gegensatz zu seinem Körper ist seine Moral nie wirklich dehnbar.
Vanessa Kirby setzt als Sue Storm viele großartige, schauspielerische Akzente. Ihre Rolle bleibt nicht nur auf die besorgte Ehefrau beschränkt, sondern wächst zur integrativen Kraft der Truppe. Sie ist die Kernfigur dieses Films. Meine Meinung nach gehört ihr Auftritt in THE FANTASTIC FOUR: FIRST STEPS zu den herausragendsten Figurendarstellungen der vergangenen Marvel-Filme.
Protagonisten und Antagonisten
Ebon Moss-Bachrach (als Ben Grimm) und Joseph Quinn (als Johnny Storm) bringen eine erfrischende Chemie ins Team. Ihre Kabbeleien haben Biss, werden aber nie zur reinen Comedy. Besonders in Krisenmomenten, wenn Vertrauen über Muskelkraft steht, überraschen beide mit emotionaler Tiefe.
Julia Garner legt mit ihrer Interpretation des SILVER SURFER einen Auftritt hin, der Sehnsucht und Tragik gleichermaßen transportiert. Leider kratzt das Drehbuch nur an der Oberfläche ihrer inneren Konflikte, was angesichts des Potenzials der Figur – wieder einmal – sehr schade ist.
Antagonist GALACTUS bleibt für mich die große Enttäuschung des Films. Trotz bombastischer Inszenierung und imposanter Präsenz bleibt er ein eher eindimensionales Ungeheuer, bei dem die eigentliche Bedrohung stets abstrakt bleibt. Für mich persönlich schließt der Antagonist zu keinem Zeitpunkt auf das Niveau eines THANOS oder LOKI auf. Ja, GALACTUS ist gut an den ursprünglichen Comics orientiert, aber – er berührt mich nicht.
Das Herzstück dieses Films sind eindeutig seine Heldinnen und Helden selbst, nicht der Kampf gegen das apokalyptische Böse. Das macht die persönliche Entwicklung der Figuren umso spannender. Sie lernen insbesondere, was Zusammenhalt unter widrigen Umständen bedeutet.
Zwischen Raumschiff-Flair, Space-Age-Utopie und gesellschaftlichem Wandel
FIRST STEPS ist durch und durch ein Kind der 1960er. Der Film bleibt dem Setting der klassischen FANTASTIC FOUR-Heftjahre treu. Wer die frühen Abenteuer von Lee und Kirby noch vor Augen hat, erkennt sofort die Einflüsse.
Fliegende Autos, Robot-Diener mit Magnetbänder-Augen, poppig bunte Architektur und die Hoffnung der Menschen, dass Wissenschaft alles besser macht: Hier werden Träume aus der Zeit nach der Mondlandung konsequent nacherzählt.
Bubble Cars, Roboter und große Träume
Heraus sticht die reflektierte Auseinandersetzung mit der damaligen Fortschrittsgläubigkeit. Reed Richards wirkt wie ein Steve Jobs mit Leibniz-Aura, dessen Erfindungen die gesamte Stadtformen prägen. Dass dabei nicht alles glatt läuft, zeigt sich im großen Thema Verantwortung. Die Sorge um das eigene Kind und die politische Debatte, wie viel Wissenschaft wagen darf, sind Reminiszenzen an damalige Gesellschaftsfragen, die heute wieder an Aktualität gewinnen.
Der Score von Michael Giacchino, bekannt aus den Spider-Man-Filmen und anderen Sci-Fi-Spektakeln, treibt das Space-Age-Feeling zudem auf die Spitze. Die Musik ist nicht nur Stimmungsuntermalung, sondern transportiert auch einen Hauch von Star Trek und 2001, ohne je altbacken zu erscheinen.
Ein erster Schritt in eine neue MCU-Ära
Obwohl FIRST STEPS als Neubeginn präsentiert wird, gelingt es Matt Shakman, ebenso zahlreiche Anspielungen auf das Marvel Cinematic Universe (MCU) einzubauen, wie liebevolle Verbeugungen vor den oft gescholtenen Vorgängerwerken zu integrieren.
Anders als das multiverselle Chaos der letzten Jahre gibt es endlich (!) wieder eine klare Linie und überschaubare Figuren. Mastermind Kevin Feige hat aus der Überfrachtung mit Sideplots und Serienballast gelernt. Wer hier ins Kino geht, muss kein MCU-Studium ablegen und keine 50 Vorfilme nachholen.
Stattdessen wird das Team als popkulturelle Realität etabliert, die sich von den harmlosen Outfits vergangener Verfilmungen (man erinnere sich an FANTASTIC FOUR: RISE OF THE SILVER SURFER) souverän absetzt. Sogar die poppigen Sci-Fi-Verirrungen der 2000er werden ironisch aufgegriffen und überwunden.
Auch wenn kein echtes Risiko eingegangen wird, so bleibt der Weg in Richtung selbstständiger MCU-Zukunft nachvollziehbar. Die Balance zwischen Selbstironie und Wegweiser für das Franchise funktioniert.
MARVEL’s neue Alltagshelden
Innovation findet sich vor allem in den Unterschieden zum aktuellen Superhelden-Blockbuster-Einerlei. Reduziertes CGI, echtes Worldbuilding, kluger Einsatz von Humor und eine Musikauswahl, die den Zeitgeist nicht nur nachahmt, sondern weiterführt.
FIRST STEPS lässt Raum für Alltäglichkeit, gesteht seinen Figuren Menschlichkeit zu und erlaubt nerdige, liebevolle Details, die Fans wie Neueinsteiger begeistern dürften. Besonders gelungen ist die Darstellung der Fantasie, wie MARVEL wirklich bunt und voller Möglichkeiten sein kann, ohne auf Explosionsorgien zu setzen.
Im Retro-Flair lösen sich die Genre-Grenzen manchmal auf, wenn Philosophie, Cartoon, Satire und Abenteuerfilm eine unerwartet angenehme Mischung eingehen. Auch die klare familienfreundliche Ausstrahlung – trotz einer Prise Drama und Zweifel – macht den Film originell und innerhalb der Marke MARVEL sehenswert.
Fazit – Fantastische Familienbande
THE FANTASTIC FOUR: FIRST STEPS ist kein revolutionärer Geniestreich und doch vielleicht genau die Art Superheldenfilm, die wir im Jahr 2025 brauchen. Weniger Krawall, mehr Charakter. Weniger Multiversum, mehr Menschlichkeit.
Nicht jeder Witz sitzt, nicht jedes Gefühl ist hundert Prozent glaubwürdig und der große Widersacher bleibt blass. Dafür aber gibt es Teamgeist, Leichtigkeit und eine Prise Science-Fiction-Vision, die sich klug auf das Gute im Menschen verlässt.
Comic-Fans werden viele Anspielungen und smarte Umsetzungen ihrer Lieblingsmotive entdecken. Neueinsteiger erleben, warum diese Figuren seit Jahrzehnten so viel Spaß machen. Mit THE FANTASTIC FOUR: FIRST STEPS beweist MARVEL, dass weniger manchmal mehr ist – jedenfalls solange großartige Darsteller und eine klare Idee am Start sind.
Jetzt bleibt nur eins: Kinoticket holen, Freunden davon erzählen oder gleich beim nächsten Comic-Shop die alten Lee-Klassiker nachlesen. Es sind die kleinen, fantastischen Schritte, die begeistern.
P.S. Kleiner Nerd-Faktor am Rand: Die ERDE-828 geht zurück auf den Geburtstag von Jack „King“ Kirby am 28. August 1917 (im Amerikanischen geschrieben 08-28-1917).
Meine persönliche Bewertung: ★★★★★
Bildrechte: Die verwendeten Bilder stammen aus den Veröffentlichungen von MARVEL zu dem genannten Film auf der Website https://www.marvel.com. Alle Rechte an diesen Veröffentlichungen liegen und verbleiben dort. Die Abbildungen wurden ausschließlich zu Anschauungszwecken dem Online-Angebot des genannten Verlages, einem gekauften oder als Rezensionsexemplar überlassenen Exemplar entnommen.