Cover von ASTERIX IN LUSITANIEN

ASTERIX IN LUSITANIEN ist eine Jubiläum-Reise

Ich muss etwa sechs Jahre alt gewesen sein, als ich meinen ersten Asterix in die Finger bekam. Durch die wabernden Nebelschwaden meiner Erinnerung glaube ich, dass es ASTERIX UND DER AVERNERSCHILD war. Denn immer wenn ich an Asterix denke, erinnere ich mich zuerst an Wein und kohleverdreckte Römer, die in Gergovia wieder einen Keller nach irgendetwas oder irgendwem durchsucht haben. Offensichtlich hat der 11. Band bei mir also mächtig Eindruck hinterlassen.

Inzwischen sind wir dreißig Bände weiter. ASTERIX IN LUSITANIEN ist der 41. Band der erfolgreichen, frankobelgischen Reihe und führt unsere Helden zurück auf die iberische Halbinsel, ins Land des Trockenfischs, der gelebten Melancholie und ihrer musikalischen Entsprechung, des Fado. Wie die Fans der Reihe wissen, war ASTERIX IN SPANIEN übrigens der 14. Band der Reihe. Ob der Zahlendreher Absicht war? Beim Teutates, wer weiß das schon so genau?

 

ASTERIX® OBELIX® IDEFIX® / © 2025 HACHETTE LIVRE / GOSCINNY – UDERZO

Eine Rettungsmission beginnt

Zu Beginn dieses Abenteuers erreicht die Galeere des Phöniziers Epidemais das uns wohlbekannte, gallische Dorf, um bestellte Waren abzuliefern. Mit an Bord reist ein lusitanischer Passagier, der sich als ehemaliger Sklave aus dem Album DIE TRABANTENSTADT entpuppt und der auf den Namen „Schnurres“ hört. (Ja, ich weiß: die Namensgebung neuer Figuren wirkt seit einiger Zeit sehr bemüht. Im Original lautet sein Name „Boulquiès“)

Sein Freund Schãoprozes (Im Original: „Mavubès“) wurde von den Römern als vermeintlicher Cäsar-Attentäter verhaftet und soll den Löwen zum Fraß vorgeworfen werden. Einen solchen Justizskandal können die Gallier natürlich nicht zulassen. Also beauftragt Majestix Asterix und Obelix nach Lusitanien zu reisen, um zu helfen. Obelix ist davon – wie man in den Abbildungen unschwer erkennen kann – zwar anfangs nicht begeistert, aber Asterix kennt seinen Kumpel viel zu gut, um sich das neue Abenteuer durch die Lappen gehen zu lassen. Und was soll ein Held ohne weitere Beschäftigung sonst auch tun? Eben.

Schablonen, Klischees und Clichés

Im Zuge der folgenden Rettungsaktion werden wieder viele Klischees des Reiselandes ausgebreitet, neue Freunde gefunden, diverse römischen Patrouillen verhauen und der Gerechtigkeit zum Sieg verholfen. Und ganz zum Schluss, im allerletzten Panel gibt es – endlich – auch wieder Wildschwein.

Der Schauplatz aus ASTERIX IN LUSITANIEN war zur Zeit der römischen Republik eine Provinz im Westen der Iberischen Halbinsel, gelegentlich auch in Teilen des heutigen Spaniens. Die lusitanischen Freiheitskämpfer unter Anführer Viriathus gelten als Pendant zu den Galliern unter Vercingetorix.

Beide Völker standen den römischen Invasoren feindlich gegenüber und Fabcaro greift diese Verbindung und ihre Parallelen gerne auf. Nur sind sie charakterlich unterschiedlich: hier die stets zu Streitereien und Raufereien aufgelegten Gallier, dort die melancholischen und stoischen Lusitanier.

 

ASTERIX® OBELIX® IDEFIX® / © 2025 HACHETTE LIVRE / GOSCINNY – UDERZO

Das aktuelle Team hinter Asterix: Fabcaro …

Fabrice Caro (genannt Fabcaro) durfte sich erstmals mit der Übernahme des Szenarios beim Vorgänger DIE WEISSE IRIS als Autor einbringen. Vorher war er schon für seinen eigenen Stil und seinen teils absurden Humors bekannt, etwa in seinem erfolgreichen Werk Zaï Zaï Zaï Zaï. Und genau dieser Humor ist es auch, der den neuen Abenteuer den Glanz vergangener Jahre zurückgibt.

Fabcaro übernahm die von René Goscinny und Albert Uderzo gegründete Serie, die auf eine jahrzehntelange Tradition zurückblickt und bei der es sich faktisch um ein französische Nationalheiligtum handelt. Keine frankobelgische Comic-Serie ist auch nur annähernd so erfolgreich, wie die Gallier.

Seine Aufgabe besteht darin, dem Geist dieser Klassiker insbesondere mit Wortwitz und kulturellen Anspielungen gerecht zu werden und den liebenswerten Charakteren weiter Leben einzuhauchen. Tradition meets eigene Note, eine wahre Herkulesaufgabe.

Aber: es läuft! Bereits im Zusammenhang mit DIE WEISSE IRIS war von einer gelungenen Rückkehr zu alten Stärken die Rede, da die Bände vorher den Erwartungen der Fangemeinde immer weniger entsprachen. Dass er nun mit ASTERIX IN LUSITANIEN sein zweites Album schreiben darf, zeigt, dass er die hohen Erwartungen erfüllen konnte und die Übergabe des Staffelstabes von Jean-Yves Ferri, der eine Pause einlegt, erfolgreich war.

… und Conrad

Dem gegenüber ist Didier Conrad seit ASTERIX BEI DEN PIKTEN als Zeichner dabei und gilt bereits ein alter Hase. Conrad hat die große Herausforderung übernommen, den ikonischen Stil von Uderzo weiterzuführen, was wahrlich kein leichtes Unterfangen darstellt. Nach eigener Aussage musste er seinen Zeichenstil dafür umstellen:

 

„Einen fremden Stil zu übernehmen, ist eher wie eine andere Sprache zu sprechen. Uderzo steht in der Tradition des franko-belgischen Comics wie SPIROU oder TIM UND STRUPPI – ein sehr klarer, sauberer Stil. Aber er ist nicht eindeutig  festzulegen. Er weicht von der Ligne claire ab, er ist nie berechenbar, sondern flexibel und innovativ. Das ist wahnsinnig schwer nachzuempfinden.“ (Interview, Welt am Sonntag vom 19.10.2025)

 

Die Balance zwischen respektvoller Fortführung und eigenem Zugang ist nun mal kein Selbstläufer. Die Gesichter, die Mimik, die reichen Hintergründe: das alles wirkt vertraut und doch frisch.

Im Fall von ASTERIX IN LUSITANIEN kommt zudem erneut Thierry Mebarki als Kolorist ins Spiel. Farben haben bei Asterix bekanntlich seit jeher eine starke Wirkung: Atmosphäre, Stimmung und Humor liegen nicht nur im Text, sondern auch im visuell-narrativen Gesamtgefüge.

Leider – und das ist meine ganz persönlich Meinung – hat mich gerade die Farbgestaltung des Bandes ehrlich gesagt ein Wenig enttäuscht. Warum? Vor einigen Jahren war ich selbst in Olisipo – also dem heutigen Lissabon – bin mit der gelben Straßenbahn gefahren und habe in den schmalen Gassen die schön gefliesten Häuser und das einzigartige Licht erlebt, dass sich durch eben diese Kacheln in den Strassen wiederspiegelt.

Und genau diese Atmosphäre fehlt dem Album. Mebarki hat mit seinen wiedererkennbaren, aber flachen Farben die Chance liegen lassen, diesem Band etwas wirklich Einzigartiges zu verleihen. (Aber vielleicht waren aber auch die Vorgaben zu streng, um diese künstlerische Inspiration effektvoll einzubringen.)

Die Kombination Fabcaro / Conrad / Mebarki ist ein Team, das authentisch mit dem Stoff umgeht, aber auch subtile Veränderungen einbringt. Fabcaro spielt erzählerisch mit vertrauten Zutaten (Zaubertrank, Prügeleien, Römer in Hülle und Fülle, Gallier, die sich wehren), hat aber auch einen modernen Blick auf aktuelle Themen und geht subtil darauf ein. Conrad und Mebarki wiederum liefern die vertraute visuelle Sprache dazu, auch wenn Conrad’s Figuren abgerundeter erscheinen als noch bei Übervater Uderzo.

 

ASTERIX® OBELIX® IDEFIX® / © 2025 HACHETTE LIVRE / GOSCINNY – UDERZO

Römische Weltwirtschaft …

Welches aktuelle Thema serviert uns Fabcaro nun im aktuellen Band? Während es bei DIE WEISSE IRIS noch um Coaching-Verirrungen und die Achtsamkeitsbewegung ging, nutzt ASTERIX IN LUSITANIEN den größten Hafen des römischen Reiches, um uns an diesem Beispiel die Globalisierung und ihre immanenten Veränderungen näher zu bringen:

Frisches Obst aus Übersee, Manufakturen gegen große Produktionsstätten, massenhafter Warenaustausch mit kapitalistischer Ausbeutung: Dies sind die Themen, die unsere Freunde als roter Faden durch die Erzählung begleiten. Finanzielle Stärke unterdrückt den Einzelnen. Aber solange List und ein Fläschchen Zaubertrank zur Hand sind, besteht für jeden die Hoffnung, dass am Ende alles Gut wird (auch wenn diese Erkenntnis sicherlich kein lusitanisches Konzept ist!).

… und lusitanisches Lokalkolorit

Wenn Asterix und Obelix in ein fernes Land reisen, erfahren wir viel über die dort lebenden Menschen, ihre Geschichte und ihre Besonderheiten. So natürlich auch in Lusitanien:

Insbesondere die Saudade, also das Gefühl, das Melancholie und Träumerei mit dem Wunsch nach Glück verbindet, das aber auch immer erst davon ausgeht, dass nicht automatisch alles gut wird, ist immer wieder Thema zwischen Gastgebern und Galliern und sorgt für diverse humorvolle Momente.

Das Straßenpflaster aus weißem Kalkstein und schwarzem Basalt gepaart mit überall erhältlichen Kacheln vermittelt südländisches Kolorit und der allgegenwärtige Bacalhau (Trockenfisch) aus Kabeljau – Verzeihung: Kabeljão – lässt Obelix hungrig und zeitweise verzweifelt zurück (nein, Wildsão gibt es hier nicht).

Übrigens: Dass die Geschäfte in Olisipo alle Kacheln und Kabeljão verkaufen, ist übrigens eine wunderbare Referenz an die Wein-und-Kohle-Läden aus dem bereits erwähnten ASTERIX UND DER AVERNERSCHILD.

Und dies bringt mich zu einer wesentlichen Kritik, die ich für den aktuellen Band habe: Es ist sicherlich ein schöner Versuch, die landestypische Betonung bestimmter Silben in das Lettering einfließen zu lassen und aus jedem „au“ ein lusitanisches „ão“ zu machen. Allerdings stört es den Lesefluss gewaltig. Manche Worte musste ich zweimal lesen, um den Satz zu verstehen. Ein Beispiel: „Dort werden sie bis zur Einschiffung nach Rom in einem Lagerhãos ãofbewahrt.“ Wirklich kein Vergleich zu den großartigen, sprachlichen Umsetzungen aus ASTERIX BEI DEN BRITEN, den AVERNERN oder auch den GOTEN!

Fazit

Alles in Allem ist der 41. Band der gefeierten Reihe und die 25. Reise wieder ein gelungenes Werk und setzt die Serie erfolgreich fort. Für Asterix-Fans ist es ein willkommener Jubiläums-Ausflug in ein neues Land, der Bekanntes und Bewährtes mit Neuem mischt.

Für Gelegenheitsleser ist der Band ein leichter Einstieg, der keine jahrelange Kenntnis der handelnden Personen und ihrer bereits erlebten Abenteuer voraussetzt. Wir erleben die Gallier in einem frischen Umfeld, dass – im Gegensatz zu Goscinny’s Skripten – in manchen Augenblicken etwas überfrachtet daher kommt. Klischees sind schön, sollten aber nicht zum Selbstzweck werden und in erster Linie der Handlung dienen.

Lass dich also mitnehmen nach Lusitanien. Nimm Platz auf dem Wagen, genieß‘ den Blick aufs Meer, halte Ausschau nach Römern – und natürlich: nach Wildschweinen.

Zwei kleine Anmerkungen zum Schluss: Zum Einen fand ich das vorläufige Cover schöner als das aktuelle, ausbaufähig, aber schöner. Idefix sollte man die Gage streichen! Das, was er in diesem Band geleistet hat, grenzt ja schon an Arbeitsverweigerung. Freundchen, so geht das nicht! DAS WIRD MAN JA WOHL NOCH SAGEN DÜRFEN!

 


Cover von ASTERIX IN LUSITANIEN
ASTERIX® OBELIX® IDEFIX® / © 2025 HACHETTE LIVRE / GOSCINNY – UDERZO

ASTERIX IN LUSITANIEN

© Egmont Ehapa Media | Softcover | 48 Seiten | Farbe | erschienen am 23.10.2025

Storyline:  ★★★★☆

Zeichnungen: ★★★★☆

Farben: ★★★☆☆

Lettering: ★★☆☆☆

Humor: ★★★★☆

Meine persönliche Bewertung: ★★★★☆

ISBN: 978-3-7704-2441-2

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Beginne damit, deinen Suchbegriff oben einzugeben und drücke Enter für die Suche. Drücke ESC, um abzubrechen.

Zurück nach oben
error: Dieser Inhalt ist geschützt.