DIE VIER VON DER BAKER STREET schauen hinter den blauen Vorhang

Billy, Charlie und Black Tom sind drei unzertrennliche Freunde, die sich im Londoner East End, einem echten Gaunerviertel, gemeinsam durchschlagen. Zum Glück können die drei auf den Schutz eines gewissen Sherlock Holmes zählen, der sie bisweilen als Straßenspione engagiert. Doch als Black Toms Freundin vor ihren Augen  gekidnappt wird, müssen sie die von ihrem Mentor gelernten Tricks schnellstens in die Tat umsetzen. Dabei  bekommen sie ganz unerwartet Hilfe von einem vierten kleinen Strolch. Und somit wären die Vier von der Baker Street komplett, das jüngste Detektivteam der viktorianischen Epoche! [1]

Und wer ist der Vierte im Bunde? Wie sollte es in einer solchen Geschichte zu Zeiten des größten Detektivs anders sein als – natürlich Watson! Nur ist Watson in diesem Fall kein Junge, sondern ein Kater, der von Charlie adoptiert wird und der den Dreien in der einen oder anderen Situation im Rahmen seiner persönlichen Möglichkeiten hilfreich zur Seite steht. Miau!

Die Geschichte des ersten Bandes der Reihe beginnt mit einer Observation eines zwielichtigen Herrn. Ein klassisches Sujet. Schließlich werden die Freischärler wie bereits erwähnt von der Baker Street 221 B für Überwachungs- und Hilfsaufgaben genutzt. Mit dem Geld für diesen erfolgreich abgewickelten Auftrag können es sich die Jungs leisten, sich etwas zu gönnen. Während Billy eher an das leibliche Wohl denkt, ist Black Tom der Kavalier der drei und möchte seiner aktuellen Flamme, dem Blumenmädchen Betty, eine Freude machen. Betty wird jedoch kurze Zeit später vor seinen Augen entführt und Tom muss sich anstrengen, um bei der Verfolgungsjagd mit der Entführer-Kutsche überhaupt eine Chance zu haben. Seine Versuche, seine Angebetete zu retten, bleiben jedoch erfolglos.

Leider stellt sich auch heraus, das Sherlock Holmes und Doktor Watson den Dreien bei diesem Fall nicht unter die Arme greifen können, da sie wegen eines eigenen Falls London verlassen haben. Also bleibt unseren jungen Helden nichts anderes übrig, als auf ihre alten, aber gefährlichen Kontakte in der Londoner Unterwelt zurückzugreifen, um Informationen zu den Entführern zu erhalten…

Das Szenario lehnt sich eng an die ursprünglichen Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle an, sodass jedem wahren Krimi-Freund hier das Herz aufgeht. Auch die folgenden Bände wie „Die Akte Raboukin“, „Die Nachtigal von Stepney“ oder „Der Mann vom Yard“ reihen sich in diese Welt ein. Während Conan Doyle bei seinen Geschichten aber eher den Blick auf den aristokratischen Teil der Gesellschaft legte und die Fälle in den noblen Häusern der Upper-Class oder vor imposanter Kulisse gelöst wurden, sind die Ereignisse dieser Comics auf Straßenniveau angesiedelt. Die jeweils abgeschlossenen Geschichten reihen sich nahtlos in den Kanon ein, ergänzen ihn aber um die spezielle Sichtweise der Straßenkinder des East End.

Die Zeichnungen von David Etien (u.a. Spirou präsentiert: Rummelsdorf 1 – 3) lassen die Tristess des Londoner East End zu dieser Zeit spüren. Grau- und Brauntöne mit dem einen oder anderen Farbtupfer vermischt, spiegeln die Atmosphäre gut wieder. Man riecht die rauchgeschwängerte Luft aus Kohle, Qualm und Straße. Dirnen, Säufer, Bettler, Zuhälter und Diebe bevölkern diese Welt und beim Lesen bleibst Du besser wachsam, damit Dir niemand etwas aus der Rocktasche klaut.

Jean-Blaise Djian und Oliver Legrand haben sich beim Worldbuilding wirklich Mühe gegeben und die Charaktere bis in die Nebenrollen sauber gezeichnet. Auf diese Weise vereinen sich kriminalistischer Thriller mit intensiven Milieu-Studien. Well done, Gentlemen! Der Umfang der Recherchen, die die Beiden betrieben haben müssen, zeigt sich dann auch in Folgendem:

(Die gute Nachricht:) Begleitet wurde die Reihe durch einen von den Autoren zusätzlich erstellten und im Jahr 2013 veröffentlichten Sonderband „Die Welt der Vier von der Baker Street“, der die Zeit und die Lebensumstände der Menschen im London des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts beleuchtet. Was war das Besondere am Londoner East End? Was genau ist Scotland Yard? Wie waren die Verhältnisse in den Asylen und Gefängnissen? Dieser Band stellt ein Vielzahl von Einblicken zusammen und Dijan bebildert die Seiten umfangreich.

(Die schlechte Nachricht:) Der Band ist offiziell vergriffen und ein Nachdruck – nach Aussage des Verlages – leider nicht zu erwarten.

Wer allerdings in die hintersten, staubigsten Ecken eines Comic-Antiquariats oder in die Online-Verkaufsplattformen mit Vier Buchstaben hinabsteigt und eine (ggf. überteuerte?) Version erstehen möchte: Bitte schön, Detektive vor! Es gilt, den Fall eines verschwundenen Buches zu lösen! Meine Herren, es lohnt sich!

Eine weitere gute Nachricht zum Schluss: Die Reihe ist noch nicht abgeschlossen! Band 10 „Das schwarze Museum“ erscheint voraussichtlich im März 2025. Die anderen Bände der Reihe sind beim Splitter-Verlag oder in allen bekannten Verkaufsstellen erhältlich.

Ach ja, ob das Geheimnis des blauen Vorhangs gelüftet werden konnte, wird HIER nicht verraten.



DIE VIER VON DER BAKER STREET – Der blaue Vorhang
© Splitter-Verlag | alle Bände der Reihe: Hardcover | 56 Seiten | Farbe
Storyline: ★★★★★
Zeichnungen: ★★★★★
Lettering:  ★★★★☆
Humor: ★★★☆☆
Meine persönliche Bewertung: ★★★★★
ISBN:978-3-86869-173-3
Informationen zu den Bildrechten findest Du hier.
[1] Verlagsbeschreibung


Die weiteren Bände der Reihe in chronologischer Reihenfolge:

 

Die Akte Raboukin
Die Nachtigal von Stepney
Die Waisen von London
Das Erbe von Professor Moriarty
Der Mann vom Yard
Die Moran-Affäre
Die Herren von Limehouse
Der Kanarienvogelzüchter
Das schwarze Museum
Sonderband:
Die Welt der Vier von der Baker Street (vergriffen)

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