Cover des Comics DIE WAISE VON PERDIDA

DIE WAISE VON PERDIDA – Im Universum ist die Hilfe selten nah

DIE WAISE VON PERDIDA von Régis Hautière (Text) und Adrián (Zeichnungen und Kolorierung) ist ein bereits 2020 erschienener Science-Fiction-Comic, der auf der gleichnamigen Novelle von Stefan Wul basiert. Im Mittelpunkt steht der vierjährige Claudi, der nach dem plötzlichen Tod seiner Eltern auf dem gefährlichen Planeten Perdida um sein Überleben kämpft. Sein einziger Kontakt zur Außenwelt ist ein Ei-förmiger Kommunikator, über den er mit Max, einem alten Freund der Familie, kommuniziert. Max setzt alles daran, Claudi zu retten, doch auf seiner Reise durch den Kosmos lauern zahlreiche Gefahren: Verfolger, technische Pannen und zwielichtige Mitreisende. Ein klassischer Wettlauf gegen die Zeit beginnt, bei dem jeder Tag Claudi’s letzter sein könnte.

 

Innenseite des Comics DIE WAISE VON PERDIDA

Von Hornissen, Raumfahrt und menschlichen Abgründen

Die Geschichte beginnt mit einem scheinbar normalen Tag auf Perdida. Doch schon bald wird klar: Die jährliche Hornissenplage bricht viel zu früh aus – und diese Hornissen sind alles andere als harmlos. Sie verschlingen alles, was ihnen in die Quere kommt, auch Menschen. Claudi’s Mutter opfert sich, um ihren Sohn zu retten, und Claudi bleibt allein zurück – ein Vierjähriger, der sich auf einem tödlichen Planeten durchschlagen muss.

Während Claudi also ums Überleben kämpft, setzt Max auf einem fernen Planeten alles daran, ihn zu retten. Doch Max ist kein strahlender Held, sondern ein Schmuggler mit eigenen Problemen. Die Handlung springt geschickt zwischen Claudi und Max hin und her, bis sich der Fokus zunehmend auf Max und seine Reise richtet.

Unterwegs trifft Max auf eine bunte Truppe, die für zusätzliche Dynamik sorgt – von zwielichtigen Passagieren bis hin zu alten Bekannten. Die Geschichte entwickelt sich zu einem spannenden Abenteuer mit zahlreichen Wendungen, bei dem nichts, aber auch gar nichts so glatt läuft, wie von Max erhofft.

Der Comic bleibt dabei stets spannend, emotional und überraschend. Das Ende – keine Sorge, hier wird nicht gespoilert – ist unerwartet und verleiht der Geschichte eine zusätzliche Tiefe.

 

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Cartoonesk, expressiv und farbenfroh

Adrián Fernández Delgado’s (Adrián) Zeichenstil ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal dieses Comics. Die Figuren wirken cartoonhaft, mit klaren Linien und expressiver Mimik. Gerade in Actionszenen verleiht der reduzierte Stil den Panels eine besondere Dynamik, während in ruhigeren Momenten die Emotionen der Figuren im Vordergrund stehen.

Die Farbgestaltung ist durchdacht und unterstützt die Atmosphäre: Orange- und Rottöne lassen die Hitze auf Perdida fast greifbar werden, während grüne und schwarze Töne die Pflanzenwelt und das All stimmungsvoll einfangen. Trotz der fast kindlich anmutenden Optik ist der Comic keineswegs ein Kinderbuch. Die Bildsprache ist oft brutal, die Szenen intensiv und der Tod allgegenwärtig.

Die Panels sind übersichtlich gestaltet, der Lesefluss ist angenehm und die Bildkomposition sorgt dafür, dass man der Handlung mühelos folgen kann. Besonders gelungen: Die Mimik der Figuren transportiert oft mehr Emotionen als die Dialoge selbst.

Und die Bedrohlichkeit der Hornissen ist so intensiv umgesetzt, dass wir glauben, im Hintergrund das tiefe Summen heran fliegender Insekten zu hören.

 

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Zwischen Naivität und Überlebenswillen

Die Charaktere in DIE WAISE VON PERDIDA sind alles andere als stereotyp. Im Zentrum steht Claudi, ein Vierjähriger, der auf sich allein gestellt ist. Seine kindliche Naivität kollidiert mit der brutalen Realität des Planeten. Der Comic schafft es, Claudi’s Perspektive glaubhaft einzufangen: seine Angst, seine Hoffnung, aber auch seine kindliche Sicht auf die Katastrophen, die ihn umgeben.

Max, der Schmuggler, ist ein klassischer Antiheld. Er ist kein strahlender Retter, sondern ein Mann mit Vergangenheit und eigenen Problemen. Im Laufe der Geschichte wird klar, dass auch Max sich seinen Dämonen stellen muss – und vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben die Chance bekommt, alles richtig zu machen.

Die Nebenfiguren sind nicht bloß Staffage, sondern bringen eigene Motivationen und Konflikte ein. Ob Freund oder Feind, sie sorgen für zusätzliche Spannung und überraschende Wendungen. Die Figurenentwicklung ist insgesamt glaubwürdig und facettenreich, auch wenn manche Charaktere bewusst archetypisch angelegt sind.

Besonders gelungen ist die Darstellung von Silbad (nicht Sindbad!), dessen Wissen um Perdida und seine väterliche Fürsorge für den fernen Claudi eine zentrale Rolle spielen. Ihn nimmt Max mit auf die Reise.

 

 

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Ein moderner Klassiker neu erzählt

DIE WAISE VON PERDIDA ist nicht einfach nur eine weitere Science-Fiction-Geschichte. Die Vorlage stammt von Stefan Wul, einem der großen französischen Science-Fiction-Autoren der 1950er Jahre. Die Novelle wurde bereits 1982 als Zeichentrickfilm „Die Herrscher der Zeit“ adaptiert. Jean Giraud (Moebius) hatte damals seine Finger im Spiel.

Hautière und Adrián interpretieren die Geschichte neu, bleiben dabei aber näher an der literarischen Vorlage als die Verfilmung. Die Mutter von Claudi erhält im Comic z.B. eine größere Rolle und mehr Kompetenz als im Film, was der Geschichte zusätzliche Tragik verleiht. Auch ist die Sprache im Comic derber und direkter, was die Härte der Welt von Perdida unterstreicht.

Ein besonderes Merkmal des Comics ist der Spagat zwischen kindlicher Perspektive und erwachsenen Themen. Die Geschichte beginnt fast märchenhaft, wird aber schnell düster und existenziell. Die Mischung aus Abenteuer, Drama und Science-Fiction ist ungewöhnlich ausgewogen. Die Handlung ist in sich abgeschlossen. Der Comic ist ein One-Shot, der keine offenen Fragen hinterlässt.

Die emotionale Wucht, mit der der Comic arbeitet, hebt ihn von vielen anderen Genre-Vertretern ab. Die Balance zwischen Action, Spannung und Gefühl ist bemerkenswert. Wer sich auf die Geschichte einlässt, wird nicht nur unterhalten, sondern auch berührt.

Und zwischendurch blitzt ein feiner Humor in den Bildern auf, wenn die Kneipe auf dem Bergbauplaneten „L’INCAL“ heißt oder der „Dicke“ auf Gamma 10 mehr Ähnlichkeit mit einem Hutten aus Star Wars hat als mit einem Menschen.

 

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Noch ein Wort zum Hintergrund

Régis Hautière ist ein erfahrener französischer Comicautor, der sich durch Vielseitigkeit und ein Gespür für emotionale Geschichten auszeichnet. Adrián, der spanische Zeichner, ist weniger bekannt, überzeugt aber durch seinen eigenständigen Stil, der perfekt zur Geschichte passt.

Die Adaption des Albums entstand im Rahmen der „Splitter Double“-Reihe, in der jeweils zwei Bände der französischen Originalausgabe in einem Band zusammengefasst werden. Die Comicadaption ist zudem in sich abgeschlossen und benötigt keine Vorkenntnisse – weder vom Roman noch vom Film. Wer die Vorgänger kennt, wird einige Unterschiede bemerken, kann sich aber auf eine eigenständige Interpretation freuen.

Ein interessanter Punkt: Während der Comic sich eng an die literarische Vorlage hält, wurden einige Figuren und Elemente modernisiert, um mehr Dynamik und Drama zu erzeugen. Das verleiht der Geschichte einen frischen Anstrich, ohne den Geist des Originals zu verlieren.

 

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Fazit

Man könnte meinen, Science-Fiction-Comics hätten genug von Weltraum-Abenteuern, interstellaren Schmugglern und gefährlichen Planeten. Aber wie oft bekommt man schon eine tödliche Hornissenplage als zentralen Handlungsmotor? Die Autoren beweisen Mut zur Abwechslung und erinnern uns daran, dass das Universum nicht nur von Aliens, sondern auch von Insekten heimgesucht werden kann.

Auch der eiförmige Kommunikator ist ein schönes Detail: Wer hätte gedacht, dass ein simples Ei zum wichtigsten Lebensretter der Galaxis werden kann? Vielleicht hätte man auf der Erde öfter mal ein Frühstücksei mehr wertschätzen sollen – nur so ein Gedanke.

DIE WAISE VON PERDIDA ist ein Comic, der Science-Fiction-Fans und Comic-Kenner gleichermaßen begeistern kann. Die Mischung aus Abenteuer, Drama und emotionaler Tiefe ist selten so gelungen wie hier. Der Zeichenstil ist eigenständig und verleiht der Geschichte einen besonderen Charme, der zwischen cartoonhaft und expressiv pendelt.

Die Figuren sind glaubwürdig, die Handlung spannend und voller Überraschungen. Besonders hervorzuheben ist die Balance zwischen kindlicher Perspektive und erwachsenen Themen. Selten wurde das Überleben eines Kindes im All so eindringlich und zugleich so liebevoll erzählt.

Wer auf der Suche nach einem abgeschlossenen, emotionalen und optisch ansprechenden Science-Fiction-Comic ist, sollte dieses Album unbedingt lesen. Und wer sich bisher noch nicht vor Hornissen gefürchtet hat, wird es nach diesem Comic vielleicht tun.

Kurzum: Ein modernes Space-Western für Erwachsene, der zeigt, dass auch im All niemand wirklich allein ist – solange es Eier gibt, die Kontakt zur Außenwelt halten.

 


Cover des Comics DIE WAISE VON PERDIDADIE WAISE VON PERDIDA

© Splitter-Verlag| Hardcover | 122 Seiten | Farbe

Storyline:  ★★★★★

Zeichnungen: ★★★★★

Farben: ★★★★★

Lettering: ★★★★☆

Humor: ★★★☆☆

Meine persönliche Bewertung: ★★★★★

ISBN: 978-3-96219-117-7

Informationen zu den Bildrechten findest Du hier.

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